Entstehungsgeschichte unseres Familienverbands

Alles begann mit dem Versuch, die Verwandtschaft der Luciuskinder mit der Familie Beltzer und Lucius (Lich), später auch die mit der Familie Käuffelin, nachzuweisen, um in den Genuss der in diesen Familien bestehenden Stipendien zu gelangen.

  • Katharina Maria Bartels geb. Beltzer (1698–1777)
  • Philippine Johanna Sophia Lucius geb. Bartels (1726–1803)
  • Maria Johannetta Wilhelmina Lucius geb. Wantzel (1748–1818)
  • Friederike Elisabetha Wantzel geb. Käuffelin (1710–1795)

Da war zunächst das Älteste, das Beltzer’sche Stipendium. Conradus Beltzer, Pastor zu Echzell ca. 1440, und um 1460, stiftete seine Erbgüter zu Borsdorf und Steinheim in der Wetterau, zusammen 8 Huben gutes Land und 13 Morgen Wiesen, zu einem Altar Beatae Virginis Mariae in Oberwiddersheim, wogegen wöchentlich wenigstens eine Messe für den Stifter und seine Verwandten gelesen werden sollte. In Folge der Reformation wurden diese Güter verkauft, und von einem Teilerlass das Stipendium errichtet. Die Stifter waren Hermann Beltzer und Lentz Beltzer, Grossneffen des Conradus und Älteste Vorsteher der Stiftung. Die Abschrift des Stiftungsbriefes vom 7. November 1559 befindet sich unter den Akten des Lucius’schen Familienarchivs. Danach war ein Tischstipendium von zunächst 20 fl an der Universität Marburg, später zwei Stipendien in Giessen vorgesehen. Der Senior der Familie Beltzer in Borstorf hatte nach jeder Vakanz zu präsentieren und darauf zu achten, dass die Angehörigen der Familie vor allen anderen in den Genuss kamen. Der Gerichtschöff zu Borstorf Hans Beltzer war dann Senior der Familie (1609–1684). Er hatte vier Söhne und zwei Töchter. Sein zweiter Sohn war Johann Georg Beltzer, Inhaber des Stipendiums und seit 1664 Pfarrer in Neunkirchen (Saar). Seine Autobiographie (niedergeschrieben von dem 80jährigen 5 Wochen vor seinem Tode) ist abgedruckt in den Familienblättern (Band 2 Nr. 19, S. 267 ff.). Er hatte 10 Kinder, von denen 7 früh verstarben. Sein Überlebender Sohn, Georg Albrecht, war Pfarrer zu Bischmisheim, Fechingen und Scheid (1672–1745).

Dessen Älteste Tochter Katharina Margaretha heiratet 1715 den Pfarrer zu Dudweiler Christian Ludwig Bartels. Beider Tochter Philippina Johanna Sophia heiratet 1749 den Goldarbeiter Johann Friedrich Lucius, den Großvater unseres Stammvaters Georg Friedrich Lucius. Die Bilder der Katharina Margaretha Bartels geb. Beltzer (1698–1777) und ihrer Tochter Philippina Johanna Sophia Lucius (1726–1803) sind abgedruckt im Familienblatt Band 4 Nr. 3, S. 54 mit Erläuterungen auf S. 55. Hier sind auch die Bilder der Maria Johannetta Wilhelmina Lucius geb. Wantzel (der Mutter des Georg Friedrich) und ihrer Mutter Friederike Elisabetha Wantzel geb. Käuffelin, deren Hochzeit mit Johann Wilhelm Wantzel bisher urkundlich nicht nachweisbar ist, eine der, wie Richard //14// Lucius immer wieder betonte, ärgerlichsten Lücken in der Lucius’schen Familiengeschichte, denn kein Lucius hat je dieses Stipendium genossen. Es wurde gestiftet von dem Professor der Theologie Dr. Balthasar Käuffelin (Tübingen 1155/58).

Ferdinand Victor Lucius (1817–1877)

All‘ das wissen wir heute, und es gilt ein wenig von den Mühen und Opfern zu berichten, die es kostete, um die Berechtigung auf eine Zulassung zu den Stipendien nachzuweisen. Der erste, der sich an diese Aufgabe machte, war Ferdinand Victor Lucius (1817–1877), der Stammvater unseres 1. Stammes. Er hatte, wie schon sein Vater das Beltzersche Stipendium genossen und auch das Lucius’sche, von dem sein Vater noch keine Ahnung hatte. Wie so ein Tischstipendium aussah, das beschreibt Georg Friedrich in einem Brief an seine Eltern plastisch (18.12.1806): „8 fl musste ich bezahlen, davon hätte ich füglich 2 Monate leben können. Der Tisch ist recht gut. Mittags Suppe, Gemüse und Rindfleisch oder Braten, abends Salat und Braten oder Apfel und Braten“. Beide hatten die Stipendien nur aufgrund der Wahrscheinlichkeit genossen, aber zu dieser Zeit erhielten auch viele nach den Statuten Nichtberechtigte ein Legat (bis ca. 1840). Das wurmte den guten Mann, und nach vielen Studien, Reisen, Akteneinsichten und tagelangem Brüten über Kirchenbüchern gelang es ihm, im Jahre 1856 den urkundlichen Beweis der Verwandtschaft anzutreten. Von nun an erhielten alle in Giessen Theologie studierenden Lucii, vorab die Söhne des Dr. Eduard Lucius (Stammvater des 2. Stammes 1819-1899), das Stipendium, andere das Beltzer’sche, das nicht an das Studium der Theologie gebunden war. Beide konnten inzwischen als Geldstipendien bezogen werden. Welche Mühen und Kosten die Arbeit verursachten, beschreibt Ferdinand Victor in einem Brief: „Ich habe für Herstellung der Lucius’schen und Beltzer’schen Stammbäume, für den 4jährigen Kampf um das Beltzer’sche Stipendium … der Familie nachweislich ein Geldopfer von 70 Gulden und mehr erbracht, abgesehen von den Tagen und Nächten, die ich diesem Zwecke geopfert und den Ballen Papier, die verschmiert.“

Richard Lucius (1845–1909)

Julius Lucius (1852–1928)
Richard und Julius Lucius konnten an die Arbeit des Nestors anschließen und setzten ihm mit dem Familienbuch 1886 ein Denkmal. Mit der Zeit gelang es //15// ihnen, das Stipendium aufgrund des wachsenden Kapitals beträchtlich zu erhöhen (1895/99). Friedrich Christoph Lucius (1691–1742), Pfarrer und Stiftsprediger zu Lich, und seine Frau Maria Eleonora geb. Wagner (gest. 1745) stifteten am 28.9.1732 ein Stipendium für Theologiestudierende. Ihr einzig Überlebender Sohn Johann Philipp bestätigte es am 22.8.1753 kurz vor seinem Tod. Da der Mannesstamm der Familie damit ausgestorben war, ging die erste Berechtigung zum Genuss des Stipendiums an die nächsten Verwandten über, Johann Jacob Lucius, Pfarrer in Wohnbach in der Wetterau (1641–1722), unser aller Stammvater, war der Onkel des Stifters. Von ihm leiteten sich die Ansprüche an das Stipendium ab. Nachdem aber das Lucius’sche Stipendium an das Studium der Theologie und das Beltzer’sche an die Universität Giessen gebunden waren, und das letztere noch dazu für die Familie Lucius ausfiel, weil Beltzer’sche Nachkommen bevorzugt wurden, war es ein Anliegen von Richard, da Abhilfe zu schaffen.

Der Gedanke, ein Familienstipendium zu errichten und gleichzeitig die sich mehr und mehr zerstreuende Familie zusammenzuhalten, führte 1897 zur Gründung des Familienverbandes, in dessen Statuten festgehalten wurde, dass ein Kapital anzusammeln sei, von dessen Zinsen ein Stipendium, gleich welchen Faches und an jeder beliebigen Universität, an Nachkommen des Georg Friedrich Lucius, den Stammvater des Familienverbandes, zu gewähren sei. Es sollte bei gutem Kapitalstand auch anderen Ausbildungszwecken, vor allem für weibliche Nachkommen, dienen. Wie sehr begrüsste es daher Richard, dass am //16// 4.4.1900 auch ein weibliches Mitglied der Familie zahlend dem Verband beitrat. Allerdings: Studierende sollten nur Knaben sein. Eine „Studentin“ konnte sich unser Großvater noch nicht vorstellen.

Über 30 Jahre waren vergangen, seit Richard Lucius „Blut geleckt“ hatte und fortan, zunächst an der Seite seines Patenonkels Ferdinand Victor, dann zusammen mit seinem Bruder Julius, die Familienforschung betrieben hafte. Entstanden waren daraus zahlreiche Lebensbeschreibungen der Vorfahren, denn mit den einfachen Stammtafeln wollte er sich nicht zufrieden geben. Wir erfahren daraus viel über die Zeiten und Umstände, in denen unsere Vorfahren lebten, sei es im 30jährigen Krieg, im Zeitalter der Revolutionen, oder über die Geschicke des Lucius’schen lnternats. Entstanden waren auch das Familienbuch, die Gründung des Familienverbandes und die Familienblätter. Bei Richards Tod betrug das Verbandsvermogen 4000,– Goldmark, und man war in den 12 Jahren dem Ziel eines Stipendiums schon einen guten Schritt näher gekommen. Auch seine anderen Vermächtnisse: Der Familienverband, der Familientag, die Familienblätter und die Genealogie lagen bei seinem Bruder Julius in guten Händen. Ihn begleiteten nun auch schon Schwiegersöhne aus den einzelnen Stämmen und später die Vettern Eduard (3 D II), Ottmar (3 D VIII) und Adalbert, Richards Sohn. So überstand der Familienverband den ersten Weltkrieg, die Wirren der Inflation und des Dritten Reiches. Zwar waren das Vermögen und die beiden Stipendien dem Geldverfall zum Opfer gefallen, aber der Geist, der die Familie trug, lebte fort. Ganz im Gegensatz zu Ferdinand Victors Meinung, dass allenfalls alle 100 Jahre einer zu finden sei, der bereit war, sich mit Lust und Laune der Genealogie und der Familie zu widmen und sich nicht scheute Zeit, Geld und Mühen zu opfern, gab es immer wieder Väter und Söhne, die sich dieser Aufgabe widmeten. Das ist bis heute so geblieben. So konnte auch der zweite Weltkrieg die Bindungen nicht lösen, obwohl der Druck der Familienblätter verboten wurde und Familientage nicht stattfinden konnten. Als dann im Jahre 1947 Adalbert unter Mithilfe von Eberhard auf dem Forsthause, Ottmar und mir den Verband wiederbelebte, fand er neben Skeptikern viele offene Ohren. Darüber ist an anderer Stelle berichtet.

Es bleibt festzuhalten, dass ohne die Studien zu den Familienstipendien, ohne den Wunsch ein weiteres Stipendium zu schaffen, in dessen Nachfolge heute die Familienhilfe steht, der Zusammenhalt der Familie nicht erhalten worden wäre. In diesem Geist wünschen wir uns zum 100jährigen ein optimistisches:

Vivat, crescat, floreat!

© 1997 by Lucius’scher Familienverband, Worms
Dieser Aufsatz erschien zuerst in: Familie Lucius – Jubiläumsbuch Oktober 1997, S. 13–16.
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